Wie
Wirkprozess Stärken stärken
Ein Bullshit Bingo der Psychotherapie und Pädagogik müsste unbedingt das Wort „Ressourcenorientierung“ enthalten. Der Begriff wird zum Beispiel im „Lehrbuch Methoden der sozialen Arbeit“ (Peter-Ulrich Wendt) „erhellt“ durch Sätze wie „Ressourcen stellen das dar, was für die Lebensführung und -bewältigung gebraucht wird“. Na dann alles klar, oder?
In meinem Job als Sozialpädagoge durfte ich erleben, wie Kinder und Jugendliche aus wirklich schwierigsten Verhältnissen es schaffen, sich durch’s Leben zu schlagen, wie der individuelle Lebenswille nach Realisierung strebt, wie viel ein junger Mensch aushalten kann, welche Strategien und Stärken (i.e. Ressourcen) einen weiterbringen und schützen können. Insofern war das praktische Erleben viel aufschlussreicher als theoretische Begrifflichkeiten und Definitionen. Der Drang nach Selbstverwirklichung und der Lebenswille sind beeindruckende und alles mobilisierende Kräfte. Was mir aus der Praxis zu Ressourcen einfällt, ist in nachstehender Wordcloud dargestellt.
Wissenschaftlich erforscht und praktisch vielfach bestätigt ist, dass auf Basis von Stärken leichter etwas Neues entsteht als auf Basis von Schwächen oder Defiziten. Wesentlich ist dabei zu erkennen, was als Stärke zu qualifizieren ist. Das richtige Maß und der örtliche, zeitliche, und soziale Kontext sind hierbei bestimmend. So sind zum Beispiel psychische Abwehrmechanismen (z.B. Spaltung, Projektion etc.) zur Stabilisierung des psychischen Gleichgewichts unbedingt erforderlich, gleichwohl sind eine Weiterentwicklung hin zu reiferen Abwehrmechanismen wie Humor oder Altruismus sowie ein bewussterer Einsatz der Abwehr erstrebenswert.
Im heutigen Zeitgeist fällt es schwer sich seiner Stärken zu besinnen. Von unterschiedlichen Seiten wird das Begehren nach mehr und mehr nach schneller, reicher, schöner, besser, intelligenter,… genährt. Das führt leicht zu einem Gefühl von schwach, minderwertig, unzureichend. Man sieht und spürt die eigenen Stärken und Ressourcen nicht mehr. Es macht einen wesentlichen Unterschied für das mentale und körperliche Wohlbefinden, ob ich in einem permanenten „nach mehr verlangen“ feststecke, oder ob ich mich dessen besinne was ich habe, was gut und reichlich an mir, meinem Leben und der Welt ist. Zu wissen und zu spüren, ich verfüge über Genügend im Innen und Außen, im Hier und Jetzt, schafft inneren Frieden, Zufriedenheit und Freude.
Viele Menschen denken, dass man erst glücklich ist, wenn man erst mal genügend Macht und Geld hat. Aber auch wenn man das sogenannte „rat race“ gewinnt, bleibt man doch eine Ratte. Wie der Buddhismus in seiner ersten großen Weisheit erklärt: „ALL life is sorrowful“, das heißt alles Leben unabhängig von sozialen Status, Geld, Macht. Erst wenn man sich aus den Verstrickungen, die Angst und Begehren bewirken, löst, ist man frei. Man ist frei, die zu sein, die man aus sich selbst heraus ist.
Joseph Campbell hat in einer Vorlesung vor jungen Studenten zum Thema „The Psychological Basis of Freedom“ folgende Worte gefunden.
„The problem of the discipline is to first refine your desire system and then in an illuminating moment erase it, and your fear system. So that you are fearless absolutely and desireless; and then you can choose what to stand for. It will not be the result of your biology or your sociology. It will be the result of your own finding of yourself. And this is why the concept of freedom and identity are practically the same problem. Your degree of freedom will be a function of your concept of your own identity, of your experience of your own identity.“